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Schuhe und Stiefel, 1925, 81 x 100 cm, Öl/Lwd
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Bis ins Alter betrieb Walther die Stillleben-Malerei. Das unbewegliche
Modell (so die Übersetzung des niederländischen Wortes „still-leven“)
kam seiner Kunstauffassung besonders entgegen, denn hier konnte er
nach Herzenslust arrangieren und komponieren und auf der anderen
Seite wie zufällig Vorgefundenes im Sinne des Impressionismus gestalten.
Karl Walthers Stillleben knüpfen an der Kunst des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts an.
Mit den allegorischen und symbolträchtigen Bildaussagen des Barocks haben sie keinerlei
Verwandtschaft. Seine Ahnen in der Verdinglichung malerischer Valeurs sind Edouard
Manet, Carl Schuch, Lovis Corinth, vielleicht auch Paul Cézanne.
Wie diesen ging es Walther um die scharfe Beobachtung, um das rasche Erfassen einer oft
nur auf den ersten Blick banal wirkende Alltagssituation. Der Künstler vermag diesen Dingen
Blumen, Lebensmittel aller Art, Hausrat etc. – einen malerischen Reiz abzugewinnen, er
kann das Profane durch seine Darstellung zum Kunstwerk erhöhen, ohne dabei auf
symbolhafte Ebenen abzuheben.
Karl Walther hat wie Vincent van Gogh alte Schuhe gemalt159 - eine soziale Anklage sind
solche Bilder jedoch nicht. Ihm kam es dabei allein auf das Malerische an. Die Stillleben
dürfen wohl teilweise als Experimentierfeld interpretiert werden, als große Skizze, auf denen
er die Grenzen seines Kolorits und der virtuosen Pinselschrift ausprobierte. Ein Paar
verschmutzter Stiefel, oder – deutlicher noch – die Bilder enthäuteter Kalbsköpfe 155 dienten
der Übung, dem Weiterkommen. Zum Verkauf waren diese Kostproben üppigster
Farbentfaltung aber zweifellos ungeeignet.
Edouard Manets Stillleben, die Walther in einer Ausstellung in Berlin sah, bestechen durch
das Unspektakuläre. Auch Karl Walther war, wie der Franzose, bei der Auswahl eines Sujets
ganz bewusst wenig anspruchsvoll: die Blumen des Frühlings, Sommers und Herbst lieferte
der Garten, ebenso Obst und Gemüse. Ein Hase oder Fasan, Fische oder ein leuchtender
Hummer 137 wurden so geschildert, wie sie gerade ins Haus gekommen zu sein scheinen.
Ob Walther Max Slevogts 1923 gemaltes „Lachsstillleben“, das heute am Germanischen
Nationalmuseum in Nürnberg verwahrt wird, je vor Augen hatte ist nicht sicher; auf jeden
Fall besteht eine enge Verwandtschaft zwischen den Werken beider Meister, die mit flockig
hingesetzten Farben das Spiel des Lichtes auf der Oberfläche der Dinge einzufangen und zu
einem flirrenden Ganzen zu verbinden trachteten. Hier ist das Wesentliche allein die
Komposition der Farben, der das Stoffliche des Sujets untergeordnet wird.